Das LUBEXXX® Fach-Interview mit Dr. Anna Bruckner


Wir sprachen mit der erfahrenen Frauenärztin Dr. Anna Brucker über die Wichtigkeit der weiblichen Beckenboden-muskulatur und konnten eine Vielzahl von nützlichen Informationen zum Beckenboden sammeln. Darunter auch, wie unsere kulturelle Herkunft immer noch Einfluss auf die Tabuisierung des Themas „Beckenboden“ hat. Was schon in der schulischen Aufklärung verpasst wird, um dieser wichtigen Muskelgruppe mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Und auch welche Zusammenhänge existieren von Stabilität und Festigkeit des Beckenbodens in Hinblick auf das Wohlgefühl, dem Selbstwertgefühl und der Sexualität.“.


Der weibliche Beckenboden ist eine sehr wichtige Muskelgruppe, die bisher aber relativ wenig Beachtung findet. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Das Problem der Unkenntnis des weiblichen Beckenbodens liegt in unserer (v.a. katholischen) Kultur, in der das Thema Sexualität und alles, was damit zu tun hat, größtenteils vernachlässigt wurde. Es mag heute die Gesellschaft im Zeitalter der globalisierten Kommunikation schon offener sein und trotzdem sind da noch viele Tabus vorhanden …ein „schambehaftetes“ Thema…

Wie wichtig ist Ihrer Meinung eine gesunde Beckenbodenmuskulatur und welche Funktion hat der weibliche Beckenboden?
Wichtigkeit und Funktion des Beckenbodens erklären und ergänzen einander. Im Beckenboden liegt unser Wurzelchakra: Stabilität, Haltung, Verwurzelung – die „Basis“ eines selbstbewussten und selbstbestimmten Lebens. Ein starker Beckenboden verleiht Halt und Stärke im wörtlichen und übertragenen Sinn, beugt Senkungserkrankungen vor, ist Voraussetzung für eine erfüllte Sexualität, und auch Voraussetzung für Kontinenz der Blase und des Darmes.

Wieso fällt es Frauen so schwer, ihren Beckenboden gesund und fit zu halten?
Vielen Frauen fehlt der Bezug zum Beckenboden, weil er „versteckt“ ist und in der Erziehung von klein auf nicht benannt wird oder Beachtung findet. Die Frau lernt sozusagen ihren Beckenboden oft nicht kennen, oder befasst sich erst dann damit, wenn Beschwerden wie Harninkontinenz auftreten. Es fehlt sozusagen die „innere Verbindung“ zu den Muskeln des Beckenbodens und somit auch die Kenntnis und das bewusste Fühlen.

Wirkt sich unsere bequeme Lebensweise und das viele Sitzen negativ auf den Beckenboden und die Beckenbodenmuskulatur aus?
Auf jeden Fall. Denn im Sitzen muss ich mein Gewicht am Beckenboden nicht selber tragen, sondern kann es der Unterlage abgeben, vor allem auch durch falsches Sitzen mit einem krummen Rücken…

Die wenigsten Frauen haben fundiertes Wissen über die Funktion des Beckenbodens. Wieso hinkt die Aufklärung hier hinterher?
Das ist eine gute Frage. In so einer aufgeklärten Zeit wissen viele Frauen noch nichts oder wenig über ihren Beckenboden! Die Ursache liegt, wie schon oben erwähnt, teils in der kulturell bedingten Vernachlässigung des „unteren Bereichs“ bei der Frau, die immer noch vorhandene Schambehaftung, die mangelnde bis fehlende Aufklärung in den Schulen, das „sich nicht befassen“ mit dem eigenen Körper, wenig gesellschaftliche Unterstützung für die Entwicklung eines Mädchens zur vollwertigen reifen Frau, zum „Vollweib“, ohne negativen oder verruchtem Beigeschmack…


Im zunehmenden Alter verliert der Beckenboden an Spannung und es kann zu altersbedingter Beckenbodenschwäche führen. Leider haben auch schon viele junge Frauen dieses Problem. Was können Sie diesen jungen Frauen raten, wie sie einfach und zeitsparend den Beckenboden trainieren?

Wenn eine Frau schon in jungen Jahren den Beckenboden trainiert, vor allem aber nach Geburten eine geführte Rückbildungsgymnastik ausübt und lernt, wie richtiges Heben funktioniert, sozusagen die Ordnungstherapie im eigenen Alltag integriert, wird sie auch im Alter weniger Probleme haben. Allerdings ist der Wegfall der weiblichen Hormone und der Spannungsverlust der Haut durch Alterung auch ein Risikofaktor für eine Schwächung des Beckenbodens. Dagegen lässt sich durch lokale Hormonapplikation die Problematik mildern.
Das Training des Beckenbodens lässt sich im Alltag gut integrieren mit und ohne Hilfsmittel. Das Wesentliche ist das „Daran-Denken“ und das „sich-vertraut-machen“ mit dieser Muskelgruppe. Schon im Kindergarten und in der Volksschule könnte man spielerisch viel Bewusstmachung erreichen! Manchmal sind Einzeltherapien mit einer/einem Physiotherapeuten von Nöten, wenn man die Beckenbodenmuskulatur nicht bewusst wahrnimmt. Ebenso können Konen, Liebeskugeln und auch Beckenbodentrainer helfen, vor allem die äußere Schicht der Beckenbodenmuskulatur zu trainieren. Aber wichtig ist auch ein Training der Bauchmuskeln und der richtigen Körperhaltung, um auch die inneren Schichten der Beckenbodenmuskulatur zu stärken.

Der Beckenboden spielt eine wichtige Rolle beim Ausleben der Sexualität. Wie sehen Sie als Fachärztin den Zusammenhang zwischen starker Beckenbodenmuskulatur und der Libido?
Sexualität und Libido hängen natürlich nicht nur vom Beckenboden ab! Viele komplexe Einflüsse sind notwendig für ein gutes Sexualleben! Allerdings vermag ein guter Beckenboden das Lustempfinden zu steigern und dadurch mehr Erfüllung beim Koitus zu erleben. Die Libido, also die Lust auf Sex, spielt sich wohl eher im Kopf ab, wobei ein guter Orgasmus durch einen trainierten Beckenboden sicherlich erfüllender ist und „Lust auf mehr“ macht….



Vielen Dank für das Interview.
Weitere Informationen zu Frau Dr. Anna Brucker und Ihrer Praxis finden Sie unter:
 
www.brucker.at